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Cartographica Helvetica


Zusammenfassung

Monique Pelletier:

Die herzförmigen Weltkarten von Oronce Fine

Cartographica Helvetica 12 (1995) 27–37

Zusammenfassung:

In der Renaissance waren Weltkarten französischer Provenienz noch rar. Das kartographische Werk von Oronce Fine (1494–1555) ist deshalb umso interessanter. Dieser Mathematiker und Astronom nahm in der grossen europäischen Bewegung, die der Wiederentdeckung von Ptolemaeus' Geographie und deren wissenschaftlichen Grundlagen folgte, seinen Platz ein.

Oronce Fine wurde als Sohn und Enkel von Ärzten in Briançon (Dauphiné) geboren und starb in Paris. Er las dort Mathematik am Collège royal, dem heutigen Collège de France, das König François I. kurz zuvor gegründet hatte. Er publizierte im Besonderen über Astronomie und astronomische Instrumente. In einer Abhandlung, die Manuskript geblieben ist, erklärt er, wie die geographische Länge mit Hilfe eines Instrumentes bestimmt werde, das er méthéoroscope nennt. Dies ist ein Astrolabium, das mit einem Kompass versehen wurde. Fine ging von der Theorie zur Praxis über, indem er eine Karte von Frankreich sowie zwei Weltkarten publizierte, für die er die grösstmögliche Anzahl geographischer Koordinaten zu sammeln suchte. Auf diese Weise ergänzte und korrigierte er Informationen, die von Ptolemaeus überliefert worden waren. Er machte ebenfalls Versuche mit diversen Kartenprojektionen. Die Weltkarte von 1531 ist in doppelherzförmiger Projektion gehalten, während seine Karte aus den Jahren 1534 bis 1536 eine herzförmige Projektion aufweist, so wie bereits Apians Karte, die 1530 in Ingolstadt (Bayern) erschienen war.

Als Geograph versuchte Oronce Fine, mittelalterliche Informationen über die östliche Hemisphähre mit den Ergebnissen der grossen Entdeckungen zu kombinieren. In der nördlichen Hälfte seiner herzförmigen Weltkarte ist der Name Asia platziert. Dieser Name gilt sowohl für das heutige Nordamerika als auch für Asien, die zusammenhängend als ein einziger Kontinent abgebildet sind. Der Name America ist hingegen für Südamerika reserviert. In der Konsequenz sind Marco Polos Mangi, Tangut und Catay – die Kolumbus seinerzeit zu erreichen gehofft hatte – westlich des Golfes von Mexiko zu finden. Auf derselben Karte zeichnete Fine eine riesige Landmasse im Süden ein, Terra Australis, «kürzlich entdeckt, aber noch nicht fertig erforscht». Tatsächlich ermöglichte die Entdeckung von Feuerland durch Magellan die Annahme, der Südkontinent sei endlich erreicht worden. Eine uralte Hypothese schien durch eine neue Entdeckung bestätigt, die Gegenwart vereinte sich mit der Vergangenheit. Allgemeiner ausgedrückt: die Unsicherheit der Geographen schien durch einen wissenschaftlichen Mantel verhüllt zu werden, einer Wissenschaft allerdings, die noch reichlich der Theorie verhaftet blieb.


Bibliographische Anmerkung

  • Artikel aus dem Französischen übersetzt von Madlena Cavelti Hammer, Horw.
  • Ebenfalls erschienen als: Die herzförmigen Weltkarten von Oronce Fine = Le monde dans un cœur, les deux mappemondes d'Oronce Fine. Murten, 1995. (Cartographica Helvetica Sonderheft 9).
  • Ebenfalls erschienen als: Le monde dans un cœur. Les deux mappemondes d'Oronce Fine. In: Tours et contours de la Terre. Itinéraires d'une femme au cœur de la cartographie. Hrsg. Catherine Hofmann, Danielle Lecoq. Paris, 1999. S. 177–197.

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